Die Orgatec 2022 rückte den Menschen in den Mittelpunkt, setzte vielfach auf Nachhaltigkeit und zeichnete ein Bild einer Branche, in der vieles vordergründig immer ähnlicher wird. Die Tücken liegen mehr in den Details. Und: Für einige aus dem HCD Team hieß es schon vor dreißig Jahren „auf zur Orgatec“. Wir gratulieren der Reihe nach:

Herzlichen Glückwunsch liebe Möbelbranche

Ihr habt (endlich) die Zeichen der Zeit erkannt. Schränke im Büro braucht schon lange kein Mensch mehr. Dafür stellt ihr den Menschen in den Mittelpunkt. Kümmert Euch darum, dass Büros „Business Hygge“ vermitteln und einladend werden. Es geht um Farben, um Haptik und ihr beginnt, an Licht, Luft und Raum zu denken. Viele Ideen und Konzepte, mit denen HCD seit Jahrzehnten Arbeitswelten gestaltet, entwickeln sich langsam zu neuen Standards. Zum Beispiel: Mit dem Wechsel des Bodenbelags Arbeits- und Kommunikationszonen oder Laufwege voneinander abzugrenzen und Orientierung im Raum zu schaffen.

Herzlichen Glückwunsch zur Telefonzelle (Achtung Ironie!)

Da hat die Branche einen Coup gelandet: Das ist die teuerste Ausstattung eines Quadratmeters den man sich vorstellen kann. Denn: Telefonboxen gehen gar nicht. Klug geplant kann jeder Lärm in der Fläche zur Ruhe gebracht werden. Solche Zellenhaltung beim Telefonieren braucht also kein Mensch. Noch ein Paradoxon: Damit holt man Mitarbeitende aus den Zellenbüros raus, um sie dann in noch kleinere Räume zu sperren? Wie sinnvoll mag das sein?

Herzlichen Glückwunsch, dass Ihr fragt. Leider (noch) die falschen Fragen

Eine Frage, die in vielen Vorträgen diskutiert wurde, war: Wie bekommen wir die Leute zurück ins Büro. Doch das ist die falsche Frage. Die richtige Frage lautet doch vielmehr: Wie arbeiten Menschen künftig und wie können wir sie dabei bestmöglich unterstützen. Denn eines ist doch klar: Die Arbeitswelt der Zukunft ist hybrid. Und Arbeit muss an vernetzten Orten möglich gemacht werden – mit den besten Bedingungen für die Leistungserbringung jede:s einzelnen. Dazu herrscht bei Anbietern aber auch bei vielen Planern noch große Unsicherheit, es werden noch zu viele Allgemeinplätze kundgetan, die mit der Realität in den Unternehmen wenig zu tun haben.

Herzlichen Glückwunsch liebe Natur

Das ist eine gute Nachricht: Egal ob Cradle-to-Cradle-Ansätze oder natürliche Materialien – die Branche wird grüner, denkt und produziert nachhaltiger. Das kommt auch den Menschen zugute, die mit diesen Produkten arbeiten. Eine gute Entwicklung.

Herzlichen Glückwunsch, dass Ihr auf Technologie setzt

Medientechnik und Gebäudeautomation rücken in den Fokus. Klar, beim Desksharing oder der Reservierung der letzten freien Ladesäule fürs E-Bike setzen die Mitarbeitenden Apps ein. Schade nur, dass in der neuen Welt gut und gerne vier bis sechs Apps benötigt werden, um den morgendlichen Weg zum Arbeitsplatz zu organisieren. Das geht besser. Das geht einfacher für den Nutzer. Hier muss sich sicherlich noch viel tun in den kommenden Jahren.

Wichtige Themen wie Plug und Play – ob im Homeoffice oder im Büro –, digital Signage, Sensorik in der Gebäudetechnik, und digitale Arbeitsplätze sind in Ansätzen bereits aufgegriffen worden. Die Arbeitswelt wird damit einfacher – für die arbeitenden Menschen.

Herzlichen Glückwunsch HCD: Die Zukunft will gestaltet werden

Und zum Schluss klopfen wir uns selbst ein wenig auf die Schultern: Herzlichen Glückwunsch zum Durchhalten – schon 1992 waren Sandra und Michael Stüve zum ersten Mal auf der Orgatec und haben den Markt gesichtet und Produkte bewertet. Manche Hersteller haben wir lange genervt, weil wir Produkte wollten, die sie nicht hatten. Wir haben gestaltet und neue Impulse geliefert. Und: die Guten haben geliefert. Wir haben neue Anforderungen formuliert wie z.B. aus dem Desksharing heraus. Viele Dinge davon sind heute selbstverständlich geworden. Aber das ist nur ein Grund, warum wir uns auf die Gestaltung der Zukunft freuen.

Die Orgatec 2022 hat gezeigt, dass die Hersteller Vieles richtig machen. Dass intelligente Lösungen für offene Arbeitswelten entstehen, die sich in der Praxis als wertvoll erweisen werden. Doch die Leitmesse der internationalen Büromöbel-Szene hat auch gezeigt, dass Produkte vergleichbarer werden. Was ähnlich aussieht hat allerdings manchmal unterschiedliche Wirkung – bei der Akustik oder der Usability zum Beispiel. Für uns heißt das, dass es auch in der Zukunft darauf ankommt, Mensch, Prozesse und IT ganzheitlich zu denken. Es braucht den Organisationsgestalter, den herstellerneutralen Planer, den Ingenieur für die technische Gebäudeausrüstung und den IT‘ler für die Digitalisierung von Arbeitswelt und Arbeitsplätzen. Es braucht interdisziplinäre Teams. Nur dann entsteht eine perfekte Arbeitswelt. Und das muss der Anspruch sein.