Alle Welt redet heute über Omnichannel Kundenkommunikation. Multimediale Markenbotschafter orchestrieren den Kundendialog der Zukunft: als aktive, empathische und kundenorientierte Repräsentanten für ihre Marken.

Sie brauchen Persönlichkeit und Authentizität, Tools und Prozesse und die perfekte Arbeitswelt. Der Grundstein dieses neuen Zeitalters des Kundendialogs ist schon heute gelegt.

Videoberatung zur Unterstützung der Anlageberatung in der Filiale mit dem Wertpapierexperten in der Zentrale oder die Apotheken-Beratung zur Anwendung von Pharmazeutika, Heil- und Hilfsmitteln sind Beispiele, in denen heute schon der Abstand zwischen Kunde und Berater per Videoübertragung deutlich verkürzt wird. Die optische Präsenz des Mitarbeiters für den Kunden ist großartig; sie überbrückt nicht nur die räumliche Distanz, sie schafft Nähe und Bindung. Zwei Beispiele:

Post Ident

War der Weg zum Postamt in der Nähe zur zweifelsfreien und rechtssicheren Identifikation von Kunden bei der Eröffnung eines Bankkontos zum Beispiel bis vor kurzer Zeit noch obligatorisch (und für viele nervenaufreibend), bietet Deutschlands großer Postdienstleister mittlerweile ein Identifikationsverfahren per Video an. Der Kunde zeigt sein Gesicht und seinen Personalausweis vor der eigenen Webcam und wird auf diese Weise rechtssicher identifiziert. Der Kunde spart sich damit einen Weg zur Postfiliale, der Filialmitarbeiter spart sich einen zeitraubenden Prozess und hat mehr Zeit für andere Aufgaben. Dabei werden sowohl Videobilder des Servicemitarbeiters al auch des Kunden übertragen. Video-Kommunikation in beide Richtungen.

Finanzdienstleistung: Videoberatung als Filialunterstützung

Die Identifikation des Kunden per Post Ident ist nur ein Anwendungsfall für die Finanzdienstleistung. Die direkte Videoberatung hat die HVB als Pionier schon vor einigen Jahren eingeführt. Sie führte zu einer Halbierung der Zahl der Filialen und stieß bei den Kunden nicht auf uneingeschränkte Zustimmung. Die Veränderung des Service-Angebots war zu abrupt und plötzlich. Ein anderer Fall zeigt, wie Videoberatung den klassischen Service vor Ort hochwertiger machen kann: Die Unterstützung der Filiale durch Spezialisten aus der Zentrale. Bei Wertpapier- oder Immobiliengeschäften braucht es Know-how, das nicht in jeder Filiale vorgehalten werden kann. Wenn der Kunde zum Beratungsgespräch in der Filiale vor Ort ist, wird deshalb ein Spezialist per Video hinzugeschaltet. Damit können auch anspruchsvolle Fragen beantwortet werden, die Beratungsqualität steigt und der Kunde empfindet Wertschätzung, weil eigens ein Anlagespezialist aus der Zentrale zugegen war.

Doch diese Veränderung des Kundendialogs hat Folgen: Müssen die Markenbotschafter der Zukunft durchgestylt sein? Ist die optische Erscheinung vor der Kamera Gegenstand von Recruiting, Schulung und Führung? Wie wird eine Markenwelt, wie werden Markenwerte über Video verbreitet? Welches Umfeld der Arbeitsplätze wird sichtbar und welche Assoziationen ruft dies beim Gesprächspartner hervor? Die Styleguides für Filmproduktionen, die in großen Unternehmen Teil der Corporate Design Richtlinien sind, geben darauf genauso wenig Antwort, wie die Workplace Strategies eben jener Konzerne eine Arbeitswelt beschreiben, die sich für den multimedialen Kundendialog als Blaupause nutzen ließe. Die Frage, die beantwortet werden muss lautet also ganz kurz: Wie müssen sich Mensch und Arbeitswelt verändern, wenn diese Beispiele Schule machen?

Die Arbeitswelt muss nicht nur auf die Video-Kanäle – gleich ob Videochat, Videocall, uni- oder bidirektionale Übertragung, mit Desktop-Sharing oder ohne – reagieren. Das direkte Umfeld des Mitarbeiters, der Arbeitsplatz und der dahinterliegende Bereich, werden plötzlich für den Kunden am anderen Ende sichtbar. Doch der eine Videoarbeitsplatz mit Green- oder Blue-Screen (um den Hintergrund während der Übertragung ersetzen zu können) ist sicherlich nicht der Arbeitsplatz, der für alle Anwendungen taugt. Alle Arbeitsplätze müssen aber die ergonomischen und technischen Anforderungen erfüllen, dass dort guter Service erbracht werden kann. Ein spezialisierter Video-Arbeitsplatz ist allerdings gerade am Anfang noch nicht unbedingt ausgelastet. Später muss die Videoberatung dann im Zweifel sehr schnell skaliert werden, um eine wachsende Nachfrage zu befriedigen. Flexibilität wird dann sehr plötzlich notwendig. Es ist wichtig, schon vor Beginn des Umbaus über eine sorgfältige, auf die angebotenen Serviceprozesse zugeschnittene Planung zu verfügen. Alles andere führt im Betrieb zu Unzufriedenheit, nicht hinreichender Servicequalität oder zu schnell steigenden Kosten.

Eine ganzheitliche Planung beginnt bei den Mitarbeitern: Welche Mitarbeiter sind im Einsatz? Welche Skills zeichnen diese Mitarbeiter heute und in der Zukunft aus? Wie wird die Kanalvielfalt organisiert? Arbeitet je Kanal ein eigenes Team oder bearbeiten die Teams eine Auswahl der Kanäle? Wie sieht die Kommunikation im Team aus? Sind diese Fragen beantwortet, geht es daran, eine Arbeitswelt zu planen, die später im Alltag überzeugt und so ist, dass sie Teil der Markenkommunikation des Unternehmen werden kann. Das betrifft übrigens zwei Richtungen: Die Marke, die der Kunde in der Kommunikation wahrnimmt, ist eine Seite der Medaille. Die andere ist die Arbeitgebermarke oder – um den wichtigeren Begriff zu verwenden – die Arbeitgeber-Reputation, die für das Recruiting zum ausschlaggebenden Kriterium werden kann.

In der planerischen Realisierung ist es dann wichtig, Flächen so zu planen, dass sie Prozesse aufgreifen, abbilden und unterstützen. Wenn es im Text-Chat- und Schriftgut-Team laut hergeht, weil die Abstimmung untereinander schnell und direkt erfolgt, muss für andere Bereiche viel mehr Wert auf Ruhe gelegt werden. Aufgrund der traditionell hohen Präsenzzeiten am Arbeitsplatz ist es sinnvoll, Mitarbeiter nicht vom, sondern am Arbeitsplatz zu entfesseln. Wenn der einzelne Arbeitsplatz bereits eine Vielzahl von Möglichkeiten bietet, ist die gesamte Organisation flexibel und die Kundenkommunikation skalierbar. Es spricht alles dafür, die vielgepriesenen „C’s“ moderner Workplace Strategies an einem Arbeitsplatz zusammenzuführen: Wer Collaboration, Concentration und Communication an einem Arbeitsplatz ermöglicht, der schafft eine hohe Produktivität. Gleichzeitig erhält der Mitarbeiter die Flexibilität, alle Kanäle an einem Arbeitsplatz bedienen zu können.

Bewegung – die für die Gesunderhaltung der Mitarbeiter unerlässlich ist – kann durch ein sinnvolles Workforce Management System und beispielhafte Führung gefördert werden. Die Kurzpause mit einem Durchatmen in einem Chill-Raum oder der attraktiven Cafeteria schafft Abstand und schnelle Erholung. Die guten Ideen dessen, was derzeit als „Smarter Working“ diskutiert wird, lassen sich so in den Alltag dialogstarker Teams integrieren. Für die Mitarbeiter und Kunden ist wichtig, dass die Durchgängigkeit der (meisten) Kanäle an einem Arbeitsplatz möglich ist. Wer einen Kunden am Telefon betreut und die Videoübertragung aktivieren will, um einen Vorgang anschaulich zu machen, der darf nicht erst den Arbeitsplatz wechseln oder gar zu einem Kollegen oder einer Kollegin weiterverbinden müssen – das wäre einem einheitlichen Kundenerlebnis alles andere als zuträglich.

Eine Patentlösung für diese neue Arbeitswelt kann es nicht geben. So vielfältig wie die Prozesse in Service und Vertrieb sind, so individuell müssen die Arbeitswelten darauf reagieren. Jede Arbeitswelt muss einzigartig sein und einzigartig gut zu Mensch und Aufgabe passen.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Multimedialer Markenbotschafter“ von Sandra und Michael Stüve. Das Buch steht kostenfrei zum Download zur Verfügung in der HCD PlanBar: www.hcd-gmbh.de/planbar